Menschen haben ihre kleinen Schwächen, daher benötigen auch die Charaktere unserer Bücher kleine und größere Schwächen, damit Leser*innen sich leichter mit ihnen identifizieren können. Doch diese kleinen Fehler müssen zum Charakter passen, und sie dürfen sich nicht ständig wiederholen. Anderenfalls werden sie unglaubhafte falsche Fehler und machen den Charakter weniger interessant. Welche Schwächen sind das?
Falsche Fehler 1 – Ungeschicklichkeit
Vor einige Jahren sah ich mit meiner Tochter eine Zeichentrickserie mit einer Maus, die Ballett tanzte. Die Bilder waren süß, die Geschichten für ein abenteuerlustiges kleines Mause-Mädchen passend. Doch meine Tochter und mich waren genervt von der Ungeschicklichkeit der kleinen Maus. Das Mause-Mädchen war laut der Ballettlehrerin die beste Schülerin in der Tanzklasse, doch es konnte nicht um einen Tisch herumgehen, ohne mit dem Ellenbogen eine Vase herunterzustoßen. Wenn die Maus ein Geheimnis in ihrer kleinen Stadt aufklären musste, und damit war sie in jeder Folge beschäftigt, trat sie beim Anschleichen zielgerichtet auf den trockenen Zweig, der laut knackte.
Von der Körperbeherrschung, die eine Balletttänzerin, ob Maus oder Mensch, haben muss, war bei diesem Mädchen nichts zu bemerken. Die Ungeschicklichkeit ist einer der falschen Fehler, die den Charakter und den Text, bzw. den Film unglaubwürdig machen.
Falsche Fehler 2 – Fachidiotie
Dieser falsche Fehler ist besonders problematisch. Der Logik der Geschichten, in denen ein Charakter unter Fachidiotie leidet, ist, dass Fachwissen und Spezialisierung einen Menschen automatisch schwierig und ungeschickt im Umgang mit Menschen macht. Ein extremes Beispiel ist Mr. Spock aus der alten Raumschiff Enterprise-Serie. Charaktere wie dieser sind wie Gefangene in ihrer Intelligenz. Ihre Kenntnisse erfahren keine Achtung. Andere Charaktere dürfen sich über sie lustig machen und vermitteln den Leser*innen zusätzlich, dass Wissen und Spezialisierung Schwächen und keine Vorteile sind.
Falsche Fehler 3 – Selbstlosigkeit
Selbstlosigkeit ist hier weit gefasst. Einerseits meint sie die Bereitschaft eines Charakters, andere Charaktere aus allen möglichen potenziell gefährlichen Situationen zu retten. Andererseits steht dahinter die Neigung, eigene Bedürfnisse zurückzustellen und alles für das Wohl anderer Charaktere zu tun. Dieser falsche Fehler verkennt nicht nur den weitverbreiteten und meistens sogar gesunden Egoismus, der verhindert, dass Menschen sich aufopfern. Gleichzeitig ist dieser Charakterfehler geeignet, typische Rollenbilder festzuschreiben und damit auch den Leser*innen fragwürdige Vorbilder zu präsentieren. So besteht die Tendenz, männliche Charaktere als selbstlose Retter darzustellen, während weibliche Charaktere mit Hingabe dienende und versorgende Aufgaben übernehmen.