Das klingt überwältigend: schreibend die Welt verändern, zum Besseren, natürlich. Da kommen Klischees von der Feder als Waffe hoch, an die wir längst nicht mehr glauben. Warum eigentlich nicht? Vielleicht, weil es weit verbreitet ist, Autor*innen, Künstler*innen überhaupt, als weltfremd darzustellen. Diese Wahrnehmung können wir annehmen und uns darin einrichten, oder wir versuchen auf unsere Weise, die Welt besser zu machen.
Zwei Aufgaben, damit wir schreibend die Welt verändern
Zwei Aufgaben kommen auf Schreibende zu, die versuchen wollen, die Welt zu einem besseren Ort für alle Menschen zu machen. Die eine Aufgabe ist, Sensibilität für Ungleichheit, Ungerechtigkeit und außerdem für eigene Privilegien zu wecken. Die andere ist, Menschen zu ermutigen, sich nicht mit einem Status quo abzufinden.
Autor*innen haben für beide Aufgaben geeignete Ausrüstungsgegenstände: ihre Fantasie, die sie in die Köpfe anderer Menschen tragen und neue Welten entwickeln kann, und ihr Schreibgerät, mit dem sie Geschichten über Unterdrückung, aber auch über Befreiung und persönliches Wachstum herstellen und verbreiten können. Dabei macht es überhaupt nichts, dass die Feder als Waffe ein altes Klischee ist. Wenn wir das Klischee mit Leben erfüllen, ist es kein Klischee mehr.
Sensibilisieren und Wege eröffnen
Viele Autor*innen haben schon früh die Erfahrung gemacht, dass sie irgendwie anders sind als andere. Das können sie darauf schieben, dass sie introvertiert sind. Andere tun das. Aber nicht alle Schreibenden sind introvertiert. Was sie unterscheidet, sind die Neigung zu beobachten, Bilder und Formulierungen zu hinterfragen, und die ganze Zeit im Hinterkopf Ereignisse zu kommentieren oder neu, vielleicht anders zu erzählen. Wenn im Kopf ein anderes Programm abläuft als bei den meisten Menschen, fühlt man sich schnell verunsichert und nicht dazugehörig. Es entsteht eine Sensibilität für das Anderssein, zunächst bezogen auf die eigene Person, dann auf die Einschätzung der Lage anderer Personen.
Diese Sensibilität für die andere Realität ist weniger weit verbreitet, als wir es uns wünschen. Unsere Aufgabe ist, Menschen die anderen Realitäten zu zeigen. In unseren Geschichten, in unseren Gedichten, aber auch in unseren alltäglichen Gesprächen.
Leser*innen nähern sich unseren Büchern aus verschiedenen Richtungen an. Die einen kämpfen auch mit dem Gefühl (oder dem Wissen), anders zu sein. Sie möchten von Charakteren lesen, denen es ähnlich geht, und sehen, wie es diesen Charakteren gelingt, das Anderssein positiv zu nutzen. Vom Scheitern möchten sie nicht lesen, das Gefühl ist ihnen zu vertraut.
Andere Leser*innen haben (fast) nie das Gefühl, nicht dazuzugehören. Sie wissen es nicht, aber es würde ihnen guttun, von Charakteren zu lesen, die dieses Gefühl haben und es auch immer wieder bestätigt bekommen. Es braucht zahlreiche Bücher, die unterschiedliche Formen des nicht-Dazugehörens und der Ungerechtigkeit thematisieren, um langsam eine Veränderung der Wahrnehmung zu erreichen. Aber mehrmals im Jahr den Blick in eine neue Richtung gelenkt zu bekommen, hilft zu akzeptieren, dass es andere Realitäten gibt. Das ist ein erster Schritt.