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Der größte Fehler eines Charakters kann unsichtbar sein

Der größte Fehler

Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass ein perfekter Charakter, durch und durch gut, durch und durch böse, eher langweilt als unterhält. Es sind die Fehler, die Charakter interessant machen. Der größte Fehler eines Charakters kann ganz unauffällig sein, und trotzdem herbe Konsequenzen nach sich ziehen.

Der größte Fehler ist unsichtbar

Anthony Trollope hat im 19. Jahrhundert in seiner Serie The Chronicles of Barsetshire einige mit Fehlern reichlich gesegnete Charaktere geschaffen. Eleanor Bold scheint die große Ausnahme zu sein. Sie ist eine junge Witwe mit einem kleinen Sohn, eine liebevolle Mutter und Tochter, eine loyale Freundin, und gutaussehend, wenn man auch einige Zeit mit ihr verbringen muss, um das zu bemerken. Und sie ist wohlhabend.

Dieser Aspekt macht sie besonders interessant für die Familie Stanhope. Die Stanhopes haben sich jahrelang in Italien vor dem britischen Wetter und der Notwendigkeit zu arbeiten versteckt. Jetzt wurde der Vater von seinem Bischof gezwungen, nach Barchester zurückzukehren. Die Schulden aus Italien folgen ihnen jedoch. Besonders Bertie, der einzige Sohn, steht kurz vor dem absoluten finanziellen Ruin. Seine Schwester Charlotte ist entschlossen, ihn davor zu bewahren. Sie möchte, dass er Eleanor heiratet. Bertie hat nichts dagegen, doch er kann sich nicht vorstellen, dass die Tochter und Schwägerin von konservativen Geistlichen ihn nehmen würde.

Aber Charlotte hat Eleanors größten Fehler erkannt: Sie ist unvoreingenommen und unabhängig. Eigentlich zwei positive Eigenschaften. Aber Charlotte versteht es, diese Eigenschaften gegen Eleanor zu verwenden.

Eleanors Fehler

Während die gute Gesellschaft in Barchester die Stanhopes im besten Fall mit Skepsis betrachtet, will Eleanor sich ihr eigenes Bild machen. Sie nimmt Charlottes Einladungen an und lernt die Stanhopes von ihrer charmantesten Seite kennen: ungezwungen, ein wenig unkonventionell, heiter. Sie verteidigt die Familie bei ihren alten Freunden, die sind daraufhin empört. Eleanor kann es nicht ertragen, dass ihre alten Freunde schlecht über die Stanhopes sprechen, ohne sie kennen. Sie beginnt mehr Zeit, mit ihren neuen Freunden zu verbringen, und so auch mit Bertie.

Ihre alten Freunde fürchten, dass sie Bertie heiraten könnte, deshalb sprechen sie über seine Schulden und seinen seichten Charakter. Eleanor verteidigt ihn weiter. Sie steht kurz davor, sich mit ihrer Familie und den alten Freunden zu überwerfen. Auf Charlottes Drängen macht Bertie ihr einen eher viertel- als halbherzigen Heiratsantrag. Eleanor ist schockiert, weil sie ihn nie als Bewunderer gesehen hat. Umso ärgerlicher ist sie, als er ihr verrät, dass der Heiratsantrag Charlottes Idee war.

Eleanor ist nun entschlossen, den Kontakt zu den Stanhopes abzubrechen. Allerdings ist sie auch entschlossen, vor ihren alten Freunden nicht zuzugeben, wie sehr sie enttäuscht wurde. Es scheint, dass sie nun ganz allein dasteht. (Aber natürlich gibt es ein Happy End – wenn auch nicht mit Bertie.)

Wenn Tugenden zu Fehlern werden

Werden Tugenden zu Fehlern, ist das für Leser*innen besonders interessant, während es für die betroffenen Charaktere und ihr Umfeld katastrophal enden kann. Hilfsbereitschaft hätte Harry Potter mehr als einmal zum Verhängnis werden können, Loyalität bringt Dr. Watson in Gefahr. Mit dieser Methode können wir an der Oberfläche harmlose und nette Charaktere zu einem Risiko für sich und ihre Umgebung machen.

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