In Essays einen Roman schreiben

Essays

Eine große Geschichte aus vielen kleinen Geschichten — so könnte man einen Roman aus Essays oder Kurzgeschichten beschreiben. Die Idee ist reizvoll, bietet so ein Roman doch einige Vorteile.

Essays zu einem Roman verbinden

Bei einem Roman aus einem Reigen von Essays oder Kurzgeschichten erzählen wir keine Geschichte von Anfang bis Ende. Vielmehr haben wir durch die einzelnen in sich geschlossenen kurzen Texte die Möglichkeit, viele Facetten zu betrachten. Da jeder kurzer Text einen eigenen vollständigen Handlungs- und Spannungsbogen hat und ein Problem aus einer bestimmten Perspektive beleuchtet, können Leser*innen zwischen den einzelnen Geschichten die Lektüre unterbrechen, ohne das Gefühl zu haben, etwas zu versäumen. Umgekehrt fällt es ihnen wahrscheinlich schwerer, in der großen Geschichte zu versinken. Die vielen gewollten Unterbrechungen fördern Distanz und zwingen, die Details im Auge zu behalten. Das kann auch abschrecken.

Ein Roman aus Essays ist keine Sammlung von Kurzgeschichten. Zwar erzählt jede Geschichte von anderen Personen und anderen Ereignissen. Aber die Geschichten stehen in einem engeren Zusammenhang als in einer Geschichtensammlung. Es gibt einen Anfang in Form einer Geschichte, die einen Einstieg in den Reigen bietet und Fragen aufwirft, die in den weiteren Geschichten näher untersucht werden. Es gibt eine Mitte und ein Ende, an dem die aufgeworfenen Fragen beantwortet worden sind.

Als Verbindung zwischen den Geschichten dienen die Charaktere, die Orte oder Gegenstände, die in allen oder einigen Geschichten vorkommen. Die Leser*innen haben einen Außenblick auf die Charaktere, Orte und Gegenstände und entdecken so die Zusammenhänge und auch die Entwicklung der großen Geschichte. Damit ist klar, dass die einzelnen Geschichten in einer bestimmten Reihenfolge stehen und so auch gelesen werden müssen. Das ist der entscheidende Unterschied zu einer Kurzgeschichtensammlung.

Herausforderungen beim Zusammenfügen der Einzelteile

Das Schreiben einer aus Essays zusammengesetzten Geschichte hat Vorteile und Nachteile. Die einzelnen Geschichten können unabhängig voneinander geschrieben werden. Da jede Geschichte in sich geschlossen ist, entsteht schnell das Gefühl, etwas geschafft zu haben.

Die Schwierigkeiten treten auf, wenn die kleinen Geschichten in den Rahmen der großen Geschichte eingefügt werden sollen. Jede Geschichte steht nicht nur für sich, sondern hat auch einen Platz im Handlungsbogen der großen Geschichte, wobei die Handlung hier nur entfernt mit der Handlung in einem normalen Roman zu vergleichen ist. Das heißt, die Aufmerksamkeit der Leser*innen ist einmal bei den Ereignissen in der kleinen Geschichte, aber sie wird immer auch wieder auf die verbindenden Elemente geleitet. Mehr oder weniger nebenbei entsteht bei den Leser*innen eine Vorstellung der großen Geschichte, für die sie keine eigene Handlung lesen. Darin liegt die große Schwierigkeit, aber eben auch die große Kunst.

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