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Tiefe im Roman heißt: Zeig mir, was ich fühlen soll

Tiefe im Roman

Was bedeutet Tiefe im Roman? Es geht nicht um Wasser oder Abgründe. Meistens nicht. Wenn Menschen ein Buch von uns aufschlagen oder im E-Book an den Anfang des Texts scrollen, sind sie bereit, mit uns und unseren Charakteren auf eine Reise ins Unbekannte zu gehen. Solche Reisen sind ein Wagnis, deshalb müssen Lesende Vertrauen in das Buch und die Schreibenden mitbringen. Dieses Vertrauen geht verloren, wenn sie das Gefühl bekommen, sie erhalten Anweisungen, was sie zu empfinden haben.

Tiefe im Roman: Lesenden zeigen, was in Charakteren passiert

Wenn Geschichten Einladungen zu Reisen sind, dann sind die Menschen, die unsere Bücher lesen wollen, neugierige Reisende. Wer reist, braucht Vertrauen in die Transportmittel, in die Organisation, in Karten und Reiseführer, und in die Hygiene in der Küche. Vertrauen geht jedoch schnell verloren, vor allem, wenn Reisende sich nicht ernst genommen fühlen. Lesende fühlen sich schnell nicht ernst genommen, wenn eine Geschichte ihnen vorzuschreiben scheint, was sie empfinden oder auch glauben sollen.

Das ist meistens nicht die Absicht der Schreibenden. Manchmal ist es ihre Ungeduld. Sie wollen schnell zu einem Punkt in der Szene kommen, an dem etwas passiert, was sie für besonders wichtig erachten und deshalb gern erzählen möchten. Darum versuchen sie abzukürzen, in dem sie Sätze wie Ramona war gereizt oder Hansalbert war schüchtern schreiben. Die Sätze geben den Schreibenden das Gefühl, die Lesenden ausreichend informiert zu haben. Doch diese Sätze werfen entweder Fragen auf, die die Aufmerksamkeit der Lesenden von der Handlung ablenken (Warum ist die Zicke schon wieder gereizt?), oder sie fordern Widerspruch heraus (Warum den armen Hansalbert wegen seiner Schüchternheit kritisieren?). Außerdem gibt es auch unter Lesenden Leute, die nichts glauben, was sie nicht mit eigenen Augen sehen können.

Anders sieht es aus, wenn die Lesenden miterleben können, was in den Charakteren vorgeht und wie sie sich verhalten. Das müssen keine langen Ausführungen sein. Oft genügt ein Satz, manchmal nur ein Nebensatz, der etwas über Atmung, Körperhaltung, Stimmlage etc. verrät.

Dem Vertrauensverlust vorbeugen durch Recherche

Lesende sind Experten für ihr Leben und ihre eigenen körperlichen Reaktionen in bestimmten Situationen. Sie haben vielleicht nie analysiert, was in ihnen passiert, wenn sie gereizt sind oder wenn sie vor Schüchternheit nur ein Viertel von dem tun oder sagen können, was tun oder sagen wollen. Aber intuitiv erkennen sie Beschreibungen dieser Zustände und fühlen ihr Vertrauen bestätigt.

Das lädt eine weitere Last auf die Schultern von Schreibenden. Sie müssen nicht nur historische, naturwissenschaftliche, geografische und andere Fakten überprüfen. Sie müssen auch ihr Wissen über Körpersprache, Krankheiten, Psychosomatik etc. erweitern, um Tiefe im Roman oder in den Charakteren zu schaffen. Wenn sie informative Internetseiten gefunden haben, lohnt es sich, dort ein Lesezeichen abzulegen, um bei Bedarf immer wieder auf diese Seiten zurückgreifen zu können.

 

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