In einer Welt voller Schrift ist Lesen eine wichtige Kompetenz. Wie selbstverständlich Lesen für die meisten von uns ist und wie wenig wir darüber nachdenken, merken wir, wenn wir auf eine Internetseite geraten, die nicht in einer uns bekannten Sprache und außerdem in einer anderen Schrift gestaltet ist. Für den Selbstversuch habe ich hier eine Seite des japanischen Amazon herausgesucht.
Selten denkt man darüber nach, dass es Menschen gibt, die unsere Schrift nicht lesen können, die gar keine Schrift lesen können oder die große Probleme haben, das Lesen zu lernen. Menschen mit außergewöhnlich großen Schwierigkeiten beim Erwerb der Lesefähigkeit leiden an Legasthenie. Das Wort geht zurück auf das Lateinische legere – lesen und das Altgriechische asthéneia – Schwäche. Man geht davon aus, dass fünf bis zehn Prozent der Weltbevölkerung betroffen sind.
Legasthenie bedeutet nicht, dass Betroffene gar nicht in der Lage sind, Lesen und Schreiben zu lernen. Eine „Heilung“ gibt es nicht, die Schwierigkeiten können jedoch kompensiert werden. Ein positives Beispiel ist die Bloggerin Alexandra Künzler, die nicht nur gerne liest, sondern auch rezensiert und anderen Betroffenen Mut macht. Auf ihrer Mich-Seite beschreibt sie aber auch, wie taktlos manche Menschen mit ihr umgehen.
Der Wikipedia-Artikel zur Legasthenie zeigt auf, wie komplex bereits das Erscheinungsbild der Legasthenie ist. Für die Diagnose kommt erschwerend hinzu, dass im Lese- und Schreiberwerb aller Kinder die gleichen Fehler zu beobachten sind. Wenn nach und nach die Regeln des Schreibens verinnerlicht werden, verschwinden die Fehler normalerweise. Einen Überblick über die verschiedenen Stufen des Lese- und Schreiberwerbs gibt es hier.
Überlegungen, die Schrift zu verändern und so Fehlerquellen zu reduzieren, gab es schon früher. Der, leider fehlerhaft gespeicherte, Artikel von Gerald Morin und Kanny Yeung erwähnt einen Versuch aus dem Jahr 1950. In diesem Artikel wird auch erklärt, wie eine entsprechend veränderte Schrift aussehen könnte. Dabei entsteht jedoch ein vollkommen verändertes Buchstabensystem.
Das Open Dyslexic-Projekt des Designers Abelardo Gonzales bietet ebenfalls einen kostenlosen Schriftfont mit Creative Commons Lizenz an. Dieser basiert auf den üblichen Buchstaben, die jedoch so verändert wurden, dass sie unverwechselbar sind und das Auge auf die Grundlinie ziehen. Das soll erleichtern, den Buchstaben auf der Grundlinie zu folgen. Der Font könnte auch für die Formatierung von E-Books verwendet werden, allerdings soll Kindle ihn derzeit nicht unterstützen.