Das Problem der fiktionalen Träume

Träume

In zahlreichen Schreibratgebern lesen wir, dass ein Buch niemals mit einem Traum beginnen sollte. Als kritische Autoren fragen wir uns natürlich, warum es dennoch erfolgreiche Bücher gibt, die genau das tun. Wir sollten uns einmal ansehen, welche Probleme Träume zu Beginn eines Buches mit sich bringen kann.

Träume: Eine Investition in Emotionen

Romane lesen wir nicht nur mit dem Kopf. Wir lesen sie mit dem Herzen oder dem Bauch, je nachdem welches Organ bei uns Gefühle produziert. Wenn wir uns an ein neues Buch wagen, erwarten wir, dass unsere Gefühle angesprochen werden. Wir bringen auch unsere Erwartungen an das Buch mit. Diese mitgebrachten Erwartungen an Spannung, Liebe, Abenteuer, Herzschmerz soll uns das Buch bestätigen und die entsprechenden Gefühle vermehren.

Mit diesen Erwartungen schlagen wir das Buch auf und begegnen einem Traum.

Zu Beginn eines Buchs wissen wir meist nicht, dass wir einen Traum lesen. Vielleicht geben uns Sprache und Bilder einen Hinweis, dass wir uns in einem Traum befinden. Dieses Wissen beinhaltet das erste Problem mit einem Traum. Träume enden und Träume sind nicht real. Wenn wir den Beginn eines Buchs als Traum erkennen, nehmen wir unsere Gefühle zurück. Wir wollen nicht zu viele Emotionen in einen Text investieren, von dem wir wissen, dass er nicht der eigentliche Text des Buches ist, von dem wir auch nicht wissen, welchen Bezug er zum eigentlichen Text hat. Was wir wissen ist, dass der Traum enden muss. Was danach kommt, können wir nicht abschätzen.

In einen Traum lassen wir uns als Leser nicht so fallen, wie wir das in einen Text fallen lassen möchten. Das kann, muss aber nicht, ein Abstrich am Lesegenuss sein.

Die Beziehung von Traum und Handlung

Ein Traum in einem Buch ist für den Leser anders als ein Traum im eigenen Schlaf. Träume im Schlaf stehen für sich. Jegliche Bedeutung geben wir ihnen nach dem Aufwachen. Ein Traum in einem Buch, noch dazu am Anfang eines Buchs, braucht Bedeutung. Auch wenn sich die Bedeutung nicht sofort erschließt, als Leser wollen wir möglichst schnell eine Bestätigung finden, dass unsere in den beendeten Traum investierten Emotionen keine Fehlinvestition waren.

Damit erhalten die ersten Sätze nach dem Traum eine besondere Bedeutung. Sie sind der eigentliche Anfang des Buchs, aber bis wir diesen Anfang erreicht haben, sind in uns durch den Traum Stimmungen entstanden. Die ersten Sätze nach dem Traum sollten uns einen Hinweis auf ein mit dem Traum verbundenen Problem geben, sollten uns auf Hoffnungen oder Enttäuschungen aufmerksam machen. Das alles sollen diese Sätze leisten, ohne uns das Gefühl zu geben, dass die mit Lesen des Traums verbundene Zeit verlorene Zeit ist.

Weniger der Traum zu Beginn eines Buchs ist das Problem, sondern die Überleitung in die Handlung. Darauf sollten wir als Autoren besondere Aufmerksamkeit legen.

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