Damit Leser einen Roman bis zum Ende lesen, müssen sie eine Beziehung zu den Charakteren aufbauen. Sie müssen verstehen können, was ihn oder sie antreibt, müssen dies auf einer emotionalen Ebene nachvollziehen können und – das ist die Herausforderung – herausfinden wollen, ob der Charakter sein oder ihr Ziel erreicht. Dazu müssen sie sich in den Kopf des Charakters hineinversetzen.
Der Sprung in den Kopf des Charakters
Der Sprung vom simplen Lesen zum teilnehmenden Lesen ist groß. Nicht jeder Leser ist bereit, diesen Sprung bei jedem Charakter zu vollziehen. Alles, was wir tun können ist, dem Leser das Hineinversetzen leicht zu machen.
Dazu braucht der Leser etwas, das er in dem Charakter wiedererkennen kann. Wenn der Leser beim Charakter Eigenschaften entdeckt, die er selbst hat oder bewundert und deshalb gerne hätte, hilft ihm das, sich auf den Charakter einzulassen. Also sollten wir den Charakter in Situationen zeigen, in denen seine Eigenschaften erlebbar werden.
Mit dem Hineinversetzen in den Charakter ist jedoch nur ein Schritt getan. Der Leser muss bereit sein, den Charakter durch das Buch zu begleiten.
Dem Charakter durch dick und dünn folgen
Diese Bereitschaft ensteht durch das, was die Handlung eines Romans bietet. Es sind die Gefahren und Irrwege, die Überraschungen, Siege und Verluste, die ein Charakter erlebt, die die Aufmerksamkeit des Lesers hochhalten. Die emotionale Bindung des Lesers an den Charakter lässt ihn die Emotionen miterleben. Der Leser empfindet anstelle des Charakters, er übernimmt dessen emotionalen Part, während der Charakter die Abenteuer durchlebt.
Eine gelegentlich Auffrischung der emotionalen Bindung hält den Leser weiter bei der Stange. Für den Autor bedeutet dies, dass er Szenen anbieten muss, in denen der Leser erneut Gelegenheit zum Hineinversetzen findet.
Die Grenzen der Bindung
Nicht alle Ereignisse in einem Roman können alle Leser fesseln. Es wird immer wieder Leser geben, die ein Buch aus der Hand legen, weil sie nicht bereit sind, dem Charakter weiter zu folgen. Die Enttäuschung ist auf Seiten des Lesers viel größer als auf Seiten des Autors. Autoren erfahren selten, welche Leser ihr Buch zu Ende gelesen haben und welche dem Charakter bis zur letzten Seite treu geblieben sind. Dieser Enttäuschung kann durch eine aufrichtige Buchbeschreibung vorgebeugt werden.