Die Ausstattung der Charaktere

Ausstattung der Charaktere

Wir lesen die Kleidung unserer Mitmenschen und ziehen daraus Schlüsse auf Einkommen, Bildung, Beruf, Charakter und vieles mehr. Das mag oberflächlich erscheinen, doch wir kennen die Codes von Kleidung und nutzen sie, um die Welt und die Menschen zu verstehen. Ähnlich ist es in einem Buch. Die Ausstattung der Charaktere gibt unseren Leser*innen in wenigen Worten eine Vielzahl an Informationen.

Die Ausstattung der Charaktere als Code

Kleidung und Accessoires geben zahlreiche Hinweise über die Epoche, in der ein Buch spielt, über Jahreszeiten, Stadt und Land, soziale Gruppen. Das Alter der Kleidung, Flecken, Knitterfalten, Risse und ihre Passform informieren Leser*innen in wenigen Worten über die Charaktere und ihre Umstände. Es sagt viel aus, ob ein Charakter vom Regen bis auf die Haut durchnässt einen Raum betritt oder lediglich einen nassen Schirm in der Hand hält. So wie wir die Ausstattung der Charaktere präsentieren, zeichnen wir Bilder, werfen Fragen auf oder geben Hinweise, deren Bedeutung sich erst später ergibt.

Kleidung, Schuhe, Schmuck und Frisuren, das Make-up und der Bart, all das gehört zum Show in Show, don’t tell. Leser*innen wissen, dass medizinisches Personal in Krankenhäusern anders gekleidet ist und andere Aufgaben hat und vermutlich auch andere Wertvorstellungen als die Mitarbeitenden im Krankenhausvorstand. Sie wissen auch, dass Politiker*innen und Mitarbeiter*innen der Stadtreinigung anders gekleidet sind, Mütter anders als Töchter, und dass die Mütter als Teenager wiederum anders gekleidet waren. Kleine Details sagen viel aus. Die flachen Schnürschuhe zum Designerkostüm weisen vielleicht auf Probleme mit den Füßen hin, aber möglicherweise auch auf die Notwendigkeit, schnell zu laufen. Abgelaufene Absätze können darauf hinweisen, dass der elegante Anzug vielleicht doch nur geliehen war. Fettige Haare und Zigarettenasche auf dem Revers können auf Nachlässigkeit bei der persönlichen Hygiene hindeuten.

Kleidung als Hinweisgeber

Kleidung und Accessoires werfen auch Fragen auf. Warum sind die Hände gerötet und die Manschetten des Hemdes nass? Was verbirgt sich in den großen Manteltaschen? Warum lässt die Frau ihre Handtasche keinen Moment aus den Augen? Ist der ausgewaschene Fleck Kaffee oder Blut? Handelt es sich um Mottenlöcher oder hat eine Kugel den Stoff zerfetzt?

Mit der Ausstattung der Charaktere können falsche Spuren gelegt werden, schließlich werden in vielen Geigenkästen tatsächlich Geigen transportiert, und selbst ein ausgewaschener Blutfleck kann eine harmlose Erklärung haben. Das knapp sitzende Kleid war eine Leihgabe in letzter Sekunde, weil auf das gutsitzende Kleid Hummer-Soße tropfte.

Leser*innen benötigen dabei keine Detailbeschreibung, voller Adjektive und Adverbien. Sie möchten sich selbst ein Bild schaffen. Dazu brauchen sie nur einige gezielte Hinweise.

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