Viele Menschen lieben wahre Geschichten, sei es in Doku-Soaps, Biografien, autobiografischen Romanen, Filmen oder Kurzgeschichten. Die Gründe dafür sind vielschichtig, insbesondere wenn es nicht um die wahren Geschichten berühmter Personen geht. Umgekehrt gibt viele sehr unterschiedliche Gründe, warum jemand über persönliche Erfahrungen schreibt – oder eben nicht darüber schreibt. Oft ist es Angst vor Verletzungen, die davon abhält, eigene Erfahrungen zu veröffentlichen, sogar wenn der Wunsch, offen über diese Erfahrungen zu sprechen, groß und als heilsam erkannt ist. Wie können wir solche Geschichten effektiv schreiben, ohne unsere Seele bloßzulegen?
Wahre Geschichten – Warum lesen, warum schreiben?
Wahre Geschichten können Lehrstücke sein. Das klingt trocken, doch wir können von den Erfahrungen anderer lernen und dadurch besser leben. Lassen wir Neugier als Grund außer Acht, lesen Menschen wahre Geschichten aus diesen Gründen:
- Wahre Geschichten zeigen uns Schicksale und wie wir mit diesen Schicksalen umgehen können (Krankheit, Trennung, Verlust eines Kindes …).
- Wir erhalten Erfahrungen aus erster Hand über historische Situationen (Kindheit in der Nachkriegszeit, staatlicher Druck auf ausreisewillige DDR-Bürger, Bürgerinitiativen für atomare Abrüstung …).
- Wir erkennen, dass wir mit unseren Erfahrungen nicht alleine sind (Pflegebedürftigkeit der Eltern, ein Kind adoptieren, sich als Autorin etablieren …).
Nicht nur wenn wir Neugier als Grund mit berücksichtigen, reizt Leser an wahren Geschichten die Einzigartigkeit der persönlichen Erfahrung. Diese Einzigartigkeit ist oft auch ein Grund, weshalb wir das Bedürfnis haben, über unsere Erfahrungen zu schreiben.
- Wahre Geschichten erlauben uns auszusprechen, was wir lange zurückhalten mussten.
- Wir bieten Lösungen an, die wir aus eigener Erfahrung kennen.
- Wir sprechen Warnungen über Risiken aus, denen wir selbst begegnet sind.
- Wir möchten unsere Leser mit uns lachen, weinen oder Wut empfinden lassen.
- Wir erinnern Leser an etwas, das wir (alle) verloren oder gewonnen haben.
Wahre Geschichten – Befreiung und Angst vor Verletzung
Wer über persönliche Erfahrungen schreibt, möchte sich oft befreien. Dabei ist es gleichgültig, ob es um traumatisierende Erfahrungen, Krankheiten, Unfälle oder Verluste geht. Die Erfahrungen zu teilen, ist wichtig, doch wahre Geschichten laden viel stärker als fiktionale Geschichten zu Kritik ein. Schlimmer noch: Manche Kritiker sehen in dem persönlichen Kern der Geschichte einen Grund für persönliche Kritik.
Von daher halten viele Autoren ihre persönlichen Erfahrungen zurück oder suchen nach Wegen, über die realen Erfahrungen zu schreiben, ohne dass sie als ihre eigene Erfahrung erkennbar sind.
Wahre Geschichten schreiben – Mehr als eine Auflistung von Erfahrungen
So schwierig es erscheinen mag, Autoren müssen Distanz zu ihren persönlichen Erfahrungen einnehmen, damit sie sie als Geschichte für ihre Leser schreiben können.
Wie alle Geschichten benötigen auch wahre Geschichten
- einen Spannungsbogen mit Anfang, Mitte und Schluss, ein Setting, eine Handlung und ein Thema,
- Charaktere,
- Handlung,
- Dialoge
- eine Aussage.
Neben Rechtschreibung und Grammatik sind das die handwerklichen Bestandteile einer Geschichte. Die sind jedoch nicht geeignet, die Angst zu bekämpfen, die eventuell mit der Geschichte verbunden ist.
Auch hier hilft oft Distanz, bis hin zu einer Verschleierung der eigenen Rolle in der Handlung. Distanz kann mit der Wahl der Erzählperspektive erreicht werden. Der Wechsel von der ersten Person zur dritten Person befreit etwa von der ständigen Erwähnung des Personalpronomens ich. Wenn nicht mehr jede Handlung und jeder Dialog um die eigene Person kreist, fällt es leichter, über schmerzhafte Erfahrungen zu schreiben. Auch der Stil kann auf subtile Weise Distanz aufbauen, etwa durch die Verwendung von Metaphern und Allegorien.