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Schreibwerkstatt Roman 1: Ideen fangen und sammeln

 Gelegentlich höre ich von Bekannten etwas wie „Eigentlich würde ich auch gern einmal einen Roman schreiben.“ Alle Äußerungen mit einem eigentlich schreien nach einem anschließenden Einwand. „Aber ich habe keine Zeit.“ „Aber ich weiß nicht worüber.“ „Aber Romane sind immer so lang.“

Wie kommt es, dass trotz all dieser Einwände dennoch Romane veröffentlicht werden?

Anscheinend lassen sich einige Einwände entkräften und andere durch strategisches Vorgehen beheben.

Dahinter steckt eine Nachricht, die vielen Menschen ungeheuerlich erscheinen dürfte. Schriftsteller müssen strategisch planen, damit die Ideen in ihrem Kopf ihren Weg auf Papier oder eine Festplatte finden können. Soviel zum Bild des genialen Poeten, der von der Muse geküsst einen druckfertigen Text zu Papier bringt.

In der Schreibwerkstatt Roman werde ich in zehn Folgen vorstellen, wie ein Roman entsteht. Zusammenfassen lässt sich die Schreibwerkstatt als die Arbeitsschritte auf dem Weg von der einzelnen Idee zum fertigen Manuskript. Über Anregungen, Fragen und Kommentare würde ich mich freuen.

Gedanken aus der Luft fangen und fixieren

Im Berufsleben und beim Einkauf gehen wir alle planend vor. Im Büro stellen wir eine Liste zusammen von den zu erledigenden Aufgaben, geordnet nach Dringlichkeit, vielleicht auch nach den Orten, die wir aufsuchen, und wir vermerken die Personen, die wir dabei kontaktieren wollen. Vor dem Einkauf notieren wir, was wir benötigen, auf regelmäßiger Basis und für besondere Anlässe, und wir ordnen alles bestimmten Geschäften zu.

Für die Arbeit des Alltags planen wir. Genauso planen wir für das kreative Schreiben.

1. Methoden für das Sammeln von Ideen

Es gibt keine festen Regeln, wie wir Ideen sammeln und festhalten. Doch Ideen sind flüchtig wie Gase, wir müssen sie festhalten, sonst verlieren sie sich im Trubel der Welt. Jeder Schriftsteller findet durch lange Praxis seine eigene Methode.

Aber: Ideen sammeln ist wie Vokabeln lernen in der Schule. Manche Menschen sind strukturiert und arbeiten entsprechend. Andere kommen gut mit einer intuitiven Methode zurecht. Genau wie in der Schule gute Schüler eingeübte Lernmethoden anwenden, schwächere Schüler dagegen nicht, ist es beim Schreiben wichtig zu verstehen, wie man selbst Ideen sammelt. Nur dann kann man sie effektiv festhalten und zu einem Text weiterverarbeiten.

Das Bewusstsein der eigenen passenden Methode erwächst nur durch das Ausprobieren verschiedener Methoden. Wer bisher nicht gewöhnt war, Ideen zu sammeln und für die Weiterverwendung festzuhalten, sollte zunächst einmal eine Methode wählen und eine Weile praktizieren.

Die folgende Liste enthält Anregungen, wie ein Schriftsteller Ideen sammeln kann. Oben stehen die Methoden, die mehr Struktur verlangen, nach unten werden die Methoden intuitiver, also dem inneren Gefühl folgend.

Der Karteikasten

Gemeint ist ein altmodischer Karteikasten aus Holz oder Kunststoff. Ein Schuhkarton tut es auch, aber man muss drauf achten, dass die Karten wirklich geordnet darin stehen können. Wenn alle Karten durcheinanderfliegen, erfüllt der Karton seinen Zweck nicht. Von daher sollte man zehn bis fünfzehn Euro investieren und einen kleinen Karteikasten anschaffen, dazu die Karten in der passenden Größe.

Die Ideen werden auf Karteikarten notiert. Da man für jede Idee eine eigene Karte nimmt, bleibt Platz für Ausführungen. So kann man auch später noch Ergänzungen vornehmen.

Vorteil des Karteikastens: Auf der Karte ist je eine Idee, die man beim Lesen in die Hand nimmt. Das Schreiben mit der Hand und das Anfassen der Karte prägen die Idee ein. Nur dann kann sie im Kopf reifen.

Nachteil des Karteikastens: Der Kasten ist nicht immer zur Hand für spontanes Notieren. Nach mehreren Korrekturen sieht eine Karte unübersichtlich aus und müsste strenggenommen erneuert werden. Daher benötigt man Zeit für das ordentliche Führen des Kastens.

Digitaler Karteikasten

Die Idee des Karteikastens kann auch digital verwirklicht werden. Tabellen in Word oder Open Office eignen sich. Man könnte eventuell auch ein Programm für das Führen eines Vokabellernkastens verwenden.

Vorteil des digitalen Karteikastens: Der Eintrag sieht immer sauber und gut lesbar aus.

Nachteil des digitalen Karteikastens: Nur wer immer mit Netbook et al. unterwegs ist, hat ständig Zugriff auf seine Ideensammlung. Außerdem besteht die nicht zu unterschätzende Gefahr, dass man sich beim Anlegen der Datei und Gestalten der Tabellen verzettelt und die eigentliche Aufgabe aus den Augen verliert. Zudem fehlt der Aspekt des Anfassens und Be-Greifens.

Ein Notizbuch für unterwegs

Das Notizbuch für unterwegs kann eine Kladde mit festem Einband, ein kleiner Block mit Ringbindung oder auch das Smartphone sein. Weil es überall mit hin genommen werden soll, darf es nicht zu groß sein, maximal DIN A5.

Ich sehe zwei grundsätzliche Möglichkeiten, dieses Notizbuch zu führen:

  1. Man teilt das Notizbuch von Anfang an in Bereiche auf, etwa interessante Ereignisse, auffallende Personen oder Orte, Themen, einzelne Eindrücke, interessante Wörter.
  2. Man schreibt quasi eine ungeordnete Liste von Eindrücken aller Art, gerade so wie sie sich ergeben.

Vorteil des Notizbuchs für unterwegs: Es ist immer zur Hand, Ideen und Eindrücke hat man schnell festgehalten, wenn sie noch frisch sind. Man kann ein Notizbuch in die Hand nehmen.

Nachteil des Notizbuchs für unterwegs: So ein Notizbuch hat die Tendenz, übervoll und unübersichtlich zu werden, besonders bei Möglichkeit 2. Ideen können darin untergehen.

Notizbuch für den Schreibtisch

Das Notizbuch für den Schreibtisch kann auch eine Kladde sein. Wer DIN A4 liebt, sollte dieses Format wählen, denn es erlaubt umfangreichere Ausführungen auf einer Seite. Auch muss man nicht aus Platzgründen alles zusammenquetschen, so dass nachher das Lesen beeinträchtigt wird.

Wie das Notizbuch für unterwegs kann man

  1. von Anfang an Themenbereiche festlegen.
  2. eine Liste von Ideen anlegen.

Vorteil des Notizbuches für den Schreibtisch: Die zeitliche Distanz zum ersten Eindruck filtert bereits Nebensächliches heraus.

Nachteil des Notizbuches für den Schreibtisch: Durch die räumliche Entfernung vom Ort der Erfahrung vergeht meist Zeit, bis man wieder vor diesem Notizbuch sitzt. Sehr leicht gerät es in Vergessenheit. Wer ein Notizbuch für den Schreibtisch führt, sollte sorgfältig drauf achten, dass regelmäßig Einträge vorgenommen werden.

Ein Karton fliegender Zettel

Optimal ist ein Schuhkarton, ein Deckel kann verhindern, dass Zettel einfach verschwinden. Die Zettel stammen vom Notizblock oder man nimmt, was zur Hand ist, wenn die Idee vorüberhuscht.

Vorteil des Kartons fliegender Zettel: Man kann überall spontan auf jeder Unterlage notieren und anschließend im Karton „archivieren“.

Nachteil des Kartons fliegender Zettel: Chaos und Datenverlust drohen. Wer mit fliegenden Zetteln arbeitet, muss so diszipliniert sein, sie auch tatsächlich in den Karton zu legen. Der Druck der Selbstverpflichtung ist extrem niedrig, die meisten Menschen benötigen deutlich mehr Struktur für ihre Arbeit.

2. Die Ideen verwerten

Nehmen wir an, ein Schriftsteller hat seine Ideen nach einer der oben vorgestellten Methoden über einen längeren Zeitraum gesammelt.

Bisher liegen nur Ideen vor, das sind Einzelteile, oft so klein, dass sie im fertigen Roman nur noch durchschimmern und unauffällig auf den Leser einwirken.

Von den zahlreichen Ideen in der Sammlung werden viele nie in den Roman eingearbeitet werden. Das ist das Schicksal einer Sammlung auf Vorrat.

Hin und wieder in einer Mußestunde sollte sich unser Schriftsteller zu seiner Ideensammlung setzen und diese einmal durchgehen. Manches wird verworfen, aber niemals weggeworfen. Manches hat seine Bedeutung durch die zeitliche Distanz verloren. Einiges besticht nach wie vor.

Was uns als Idee zum Schreiben reizt, ist oft schwer vorherzusagen. Nicht selten deuten wir unser Interesse an einer Idee falsch. Schreiben ist ein kreativer Prozess, vieles geschieht unbewusst auf der Basis unserer Erfahrungen und Wünsche. Wenn Literaturkritiker meinen, sie müssten anhand des fertigen Romans eine Tiefenanalyse der Psyche des Schriftstellers vornehmen, dann ist das deren Ansicht. Für den Schreibprozess selbst ist Kenntnis der eigenen Befindlichkeit nur sehr eingeschränkt dienlich.

Wie nun aus Ideen der Ideensammlung ein Konzept für den Roman erarbeitet wird, beschreibe ich in der Schreibwerkstatt Roman 3. In der Schreibwerkstatt Roman 2 geht es zunächst darum, wie man seine Ideen überhaupt findet.

Schreibwerkstatt Roman 1 – Ideen fangen und sammeln

Schreibwerkstatt Roman 2 – Woher die Ideen nehmen?

Schreibwerkstatt Roman 3 – Von der Idee zum Konzept

Schreibwerkstatt Roman 4 – Leben für die Charaktere

Schreibwerkstatt Roman 5 – Charaktere mit allen Sinnen erschaffen

Schreibwerkstatt Roman 6 – Textgerüste

Schreibwerkstatt Roman 7 – Zettelwirtschaft hilft manchmal denken

 

 

 

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