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Schreibwerkstatt Roman 5: Charaktere mit allen Sinnen erschaffen

 In der Schreibwerkstatt Roman 4 habe ich gezeigt, wie ein Autor den Charakteren seines Romans Leben einhauchen kann. Dazu gehört, ihnen, wie jeder realen Person, eine Biografie zu schreiben. Aber ist eine Person nur die Summe ihrer Erlebnisse und Erfahrungen?

Charaktere empfinden

Denken wir an uns selbst, wissen wir, dass wir weit mehr sind als das, was wir im Laufe unseres Lebens erlebt haben. Nicht dass dies unwichtig ist, aber entscheidend für unsere Entwicklung war, wie wir die Ereignisse unseres Lebens erlebt haben.

Sehen wir uns auch die Charaktere in anderen Romanen an. Sehr oft erfahren wir, wie ein Charakter eine Situation empfindet, darüber denkt, aus Überlegungen heraus handelt. Leser lernen Charaktere über deren Empfindungen und Gedanken kennen, durch den Autor, der diese Empfindungen und Gedanken nacherlebbar macht.

Also sollten wir unsere Charaktere auch fühlen und denken lassen. In welchem Umfang wir die Vielfalt ihrer Eindrücke  an die Leser weitergeben, liegt in unserem Ermessen. Autoren wählen  für den Leser aus. Um diese Auswahl treffen zu können, müssen auch Fühlen und Denken des Charakters im Autor vorhanden sein.

Wie kommen sie dahin?

Sammeln lernen

Auch für das Ausstatten der Charaktere mit Empfindungen und Überlegungen  müssen Autoren sammeln gehen. Sie müssen lernen, das was sie erleben, sehen, hören, fühlen, schmecken und riechen, in Worte zu kleiden.

Für viele Autoren ist dies ein Prozess, der in der Kindheit begann und zu einer Gewohnheit wurde. Aber auch Erwachsene können es selbstverständlich lernen, denn die Wahrnehmungen sind immer bereits vorhanden.

Unser Gehirn leistet die meiste Arbeit im Hintergrund. Wir sehen eine Blume, denken aber nicht minutenlang über sie nach. Wir sehen einen überfahrenen Hund und drehen mit Absicht den Kopf weg.

Was ist der Unterschied zwischen diesen beiden Erlebnissen? Blumen sehen wir oft und das in verschiedenster Form. Sie sind normal und deshalb nicht interessant. Aber unser Gehirn meldet hauptsächlich Interessantes und Ungewöhnliches aus unserer Wahrnehmung. Darum ist der überfahrene Hund unsere Aufmerksamkeit wert, denn sein Anblick könnte uns vor Gefahren warnen (Blut, Achtung: Raubtier).

Nur wenige Charaktere sind dauerhaft mit Eindrücken wie überfahrene Hunde konfrontiert. Wer Charaktere den Lesern näher bringen will, muss sie das Normale erleben lassen und dieses Normale in Worte fassen.

Wie das Normale in Worte fassen?

Zeit für kleine Übungen zur „Bewusstseinserweiterung“ findet sich immer. Dreißig Sekunden genügen, fünf Minuten sind reichlich.

Öffnen Sie die Ohren und lauschen Sie aufmerksam. Stellen Sie sich bewusst die Frage: Was höre ich jetzt? Beantworten Sie sich die Frage ganz bewusst: Vögel, Autos, die Bremsen einer Straßenbahn.

Genauso können Sie es mit allen anderen Sinnen handhaben. Was riechen Sie? Was schmecken Sie? Was sehen Sie? Was fühlen Sie? Geben Sie sich immer die Antwort auf Ihre Fragen.

Machen Sie es sich zur Gewohnheit, Eindrücke bewusst aufzunehmen und in Worte zu fassen. Ihr Gehirn wird lernen, dass Eindrücke für Sie bedeutsam sind und Sie auf Aspekte der Umwelt aufmerksam machen, die früher nicht an Ihre Aufmerksamkeit weitergemeldet wurden.

Noch sind es Ihre Eindrücke von Ihren Erlebnissen. Sie beschreiben sie mit Ihren Worten. Doch Leser möchten den Charakter in Ihrem Roman kennen lernen, nicht Sie. (Vielleicht auch Sie, aber erst, nachdem die Charaktere in Ihrem Roman den Leser begeistert oder empört, auf jeden Fall mitgerissen haben.)

Nehmen Sie eine Szene aus Ihrem Roman. Lassen Sie in Gedanken Ihren Charakter durch die von Ihnen geschaffenen Räume gehen. Stellen Sie die gleichen Fragen an den Charakter: Was fühlt er? Was sieht sie? Beantworten Sie die Fragen.

Jetzt verknüpfen Sie die Biografie Ihres Charakters mit seinen Eindrücken. Welche Eindrücke aus seiner Umwelt werden ihm bewusst? Mit welchen Worten beschreibt er seine Eindrücke für sich? Welche Worte kennt er überhaupt? Das ist jetzt Ihre Aufgabe als Autor.

Wie statten Sie Charaktere mit Eindrücken aus? Oder haben Sie eine andere Methode, den Leser die Charaktere Ihres Romans kennen zu lernen?

 

Schreibwerkstatt Roman 1 – Ideen fangen und sammeln

 

Schreibwerkstatt Roman 2 – Woher die Ideen nehmen?

 

Schreibwerkstatt Roman 3 – Von der Idee zum Konzept

 

Schreibwerkstatt Roman 4 – Leben für die Charaktere

 

Schreibwerkstatt Roman 5 – Charaktere mit allen Sinnen erschaffen

 

Schreibwerkstatt Roman 6 – Textgerüste

 

Schreibwerkstatt Roman 7 – Zettelwirtschaft hilft manchmal denken

 

 

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