Wann ist mein Buch fertig? Diese Frage treibt Schreibende um. Sie ist essentiell. Und es gibt keine endgültige Antwort, allenfalls Annäherungen. Woran erkenne ich, ob mein Buch fertig ist? Sie sollten erst einmal überlegen, was Sie unter fertig verstehen.
Was heißt eigentlich „fertig“?
In Autoren-Foren und sozialen Netzwerken stoße ich immer wieder auf Äußerungen wie „Ich habe mein Buch fertig geschrieben. Wie finde ich jetzt einen Verlag?“ oder „Ich habe Ende unter mein Manuskript geschrieben. Auf zum Lektor damit“. In den meisten dieser Fälle ist das Buch nicht fertig. Das Wörtchen Ende ist lediglich ein Symbol dafür, dass die Rohversion fertig ist, vielleicht auch erst die Knetmasse zum Ausformen angerührt.
Andreas Eschbach zitiert in seinem Blog die amerikanische Autorin Carolyn Wheat zu der Frage, wann ein Buch fertig ist. Wer das Zitat liest, merkt schnell, dass in einem fertigen Buch viel mehr steckt, als das Aufschreiben von Ideen zu einem zusammenhängenden Text. Wenn Sie die erste Version niedergeschrieben haben, beginnt der lange Prozess des Durcharbeitens und Überarbeitens, des Streichens und Hinzufügens, des Einholens von Meinungen, des Austauschens und Komprimierens und der erneuten Überarbeitung. Erst nach mehreren Überarbeitungszyklen – und es nicht festgeschrieben, wie viele! – können Sie frohgemut Ende unter Ihren Text schreiben.
Wird jedes Buch einmal „fertig“?
Stephan Waldscheidt vertritt den Standpunkt, dass es Bücher gibt, die nie fertig werden, selbst wenn der Text abgeschlossen wurde. Dem kann ich mich nur anschließen. Besonders erste Bücher erreichen selten die Qualität, dass der Autor es vertreten kann, den Text zu veröffentlichen. Erinnern Sie sich an Ihren ersten selbstgestrickten Strumpf, an Ihre erste Fahrstunde, an Ihre ersten Versuche, sich im Urlaub in der Landessprache zu verständigen? Die Ergebnisse waren alles andere als perfekt.
Aber wenn Sie durchgehalten haben, beherrschen Sie alle diese Tätigkeit inzwischen wie im Schlaf. Den ersten Socken haben Sie vielleicht später wieder aufgetrennt, weil Sie die Wolle für ein anderes Projekt verwenden wollten. Das können Sie mit Ihrem ersten abgeschlossenen Manuskript machen: Es kritisch lesen, die guten Ideen markieren und entweder die Geschichte neu schreiben oder die Ideen in andere Geschichten einflechten.
Kann man ein Buch zu Tode überarbeiten?
Ja, auch das ist möglich. Es gibt bei jedem Manuskript den Punkt, an dem Sie entscheiden müssen, ob Sie das Projekt wirklich aus der Hand geben und veröffentlichen können. Wenn Sie nie mit Ihrer Arbeit zufrieden sind, unabhängig von der Meinung anderer, dann müssen Sie entweder den Schritt zur Veröffentlichung wagen oder das Projekt beiseite legen. Mit dem Beiseitelegen ist Ihr Projekt nicht gestorben. Betrachten Sie es als Dornröschenschlaf. Vielleicht kehren Sie eines Tages mit neuem Mut zu Ihrem Manuskript zurück und wecken es auf.