Die deutsche Sprache hat so wunderbare und ausdrucksstarke Verben. Im Alltag und beim Genuss der Medien vergessen wir oft, welche Kraft in ihnen steckt. Erst die Abwesenheit starker Verben lässt uns erkennen, was für ein mächtiges Werkzeug sie für Autoren sind. Betrachten wir folgenden Text. Etwas fehlt …
Gleich nach dem Aufstehen machte sie das Frühstück. Dann machte sie den Kindern die Pausenbrote zurecht, ehe sie sich mit ihnen auf den Weg zur Schule machte. Der Tag machte keinen guten Eindruck. Der Regen machte dunkle Flecken auf den Asphalt, und der Hausmeister machte ihr Vorhaltungen, als sie einen Parkversuch vor dem Eingang zum Schulhof machte. Auf dem Weg zum Büro machte das Handy auf sich aufmerksam. Sie machte einen Versuch, das Handy zu ignorieren, doch das wiederholte Piepen machte sie nervös. Es machte keinen Spaß, mit dieser Begleitung zu fahren.
Verben verändern den Text
Natürlich stören die Wiederholungen der verschiedenen Kombinationen von machen und einem Nomen. Gerade diese Verbindung lähmt den Text. Machen + Nomen ist typisch für Bürokratensprache, die sicherlich nicht zu den kreativsten Sprachen gehört. Damit dieser kurze Text ein wenig Leben bekommt, benötigt er lebendige Verben.
Gleich nach dem Aufstehen bereitete sie das Frühstück zu. Dann schmierte sie den Kindern die Pausenbrote, ehe sie mit ihnen zur Schule aufbrach.
Diese kurze Sequenz zeigt, dass das Ersetzen von machen + Nomen Folgen für den gesamten Satz hat. Der Text wirkt flexibler und leichter lesbar.
Zugleich fallen weitere Änderungen auf. Zubereiten ist ein trennbares Verb, dessen trennbare Vorsilbe an das Satzende wandert, dagegen war zurechtmachen trennbar und wurde durch schmieren ersetzt, Sich auf den Weg machen war zudem reflexiv und benötigte eine nachfolgende Verbindung aus Präposition und Nomen. Durch das Ersetzen der Konstruktion machen + Nomen enthält der zweite Satz weniger Wörter. Das weist darauf hin, dass eine Überarbeitung der Verben immer auch eine Überarbeitung anderer Satzteile mit sich bringt.
Bei Überarbeitung drohen Fehler
Das bloße Ersetzen von Verben ist nicht möglich. Daher hat das Austauschen eines Verbs meist weitreichendere Folgen als der Austausch eines Nomens. Ein neues Verb verlangt möglicherweise einen anderen Kasus, etwa Akkusativ statt Dativ, oder es benötigt eine Präposition, die einen anderen Kasus mit sich bringt. Solche Änderungen betreffen oft die kleinen Wörter im Text, also Artikel oder Präpositionen. Ebenso können sich die Endungen der Adjektive ändern.
Jeder Eingriff in den Text ist daher eine Fehlerquelle. Dessen sollten sich Autoren bewusst sein, wenn sie Änderungsvorschläge von Lektoren einarbeiten. Ein automatisches Übernehmen der Änderungen ist riskant. Auch wenn es viel Arbeit bedeutet, muss jeder Satz einzeln überprüft werden. Das Ergebnis einer Überarbeitung der Verben ist jedoch ein verbesserter Text – und darauf kommt es an.