Kann / darf man Rezensionen trauen?

 Bewertungen sieht man online und offline, sie sind allgegenwärtig. Im Internet haben sie die Funktion der guten alten Mund-zu-Mund-Propaganda übernommen. Für viele Kunden geben sie bei Kaufentscheidungen den Ausschlag.

Aber die Frage ist: Kann man Bewertungen und Rezensionen trauen? Sind sie kompetent und authentisch?

Oder werden wir Konsumenten in die Versuchung geführt, der Herde vermeintlicher Meinungsführer zu folgen?

Ein paar Gedanken darüber möchte ich einmal aufschreiben. Ihre Überlegungen zu diesen Fragen interessieren mich auch. Vielleicht teilen Sie hier mit anderen Lesern …

Versuchung 1: Die anderen finden es super …

Eines Tages wurde mir das tägliche Rasieren der Beine zuviel. Ich wollte einen Epilierer anschaffen. Bei einem bekannten Online-Händler gab ich das Suchwort ein und fand eine lange Liste. Das Gerät, für das ich mich schließlich entschied, hatte im Durchschnitt fünf von fünf Sternen bei weit über 80 Bewertungen. Ausschlaggebend für meine Kaufentscheidung war eine Bewertung, in der dieses Gerät mit einem anderen, das die Kundin früher über Jahre verwendet hatte, verglichen wurde.

Seit über einem Jahr benutze ich diesen Epilierer. Volle Punktzahl würde ich ihm nicht geben. Ich hätte verschiedene Kritikpunkte, aber ich weiß auch nicht, ob andere Geräte nicht die gleichen Schwachstellen haben. Konnte ich den Bewertungen trauen? Ehrlich gesagt weiß ich es nicht.

Versuchung 2: Die anderen sind kompetent in ihrer Kritik …

Die Farbe Pink erinnert mich immer an Penecylin-Saft, von dem mir als Kind speiübel wurde. Ich verweigerte deshalb meiner Tochter pinkfarbene Kleidung, ließ einmal sogar ein Geschenk zurückgehen, weil mich beim Auspacken des Stramplers die alte Übelkeit überkam. Wie hätten diese Erfahrungen meine Bewertung beispielsweise eines Rüschenkleides nach Art jener blonden Glitzerfee beeinflusst? Hätte ich überhaupt zwei Punkte vergeben?

Aber manchmal meint man, Fehler oder Qualitätsmängel zu erkennen. So etwas muss gemeldet und vermeldet werden.

Und da wird es mit den Bewertungen schwierig, denn ich als Kundin müsste dem Bewerter glauben dürfen, dass ein Bauteil absolut gerade zu sein hat und keinesfalls gebogen sein darf oder ein Wollpullover bei 60° C in der Maschine gewaschen werden kann.

Manchmal liegt es jedoch an den Geheimnissen der Entwickler und Ingenieure, dass etwas nicht symmetrisch, gerade oder in einer Farbe ist. Erkennt oder weiß der Kunde das nicht, regt er sich auf und schreibt einen Verriss. Oder der Wollpullover wurde nicht im Wollprogramm auf 30° C gewaschen, weil sich ein Kunde mit zwanzig Jahren Wascherfahrung nicht die Mühe machte, das Etikett mit der Waschanleitung zu studieren. Eingelaufen? Ein Punkt von fünf.

Versuchung 3: Die anderen meinen es gut mit mir …

Bewertungssysteme sollen den Verkauf fördern. Ich kenne einen Versand für Damengarderobe, der das Bewertungssystem abschaffte, nachdem Kundinnen anfingen zu fragen, ob die Pullover aus diesem Laden zu Jeans des anderen Ladens passten.

Kunden wissen ja oft gar nicht, wie gut ein Produkt ist …

Lassen wir diese Pünktchen einmal stehen und fragen uns, wer eigentlich Bewertungen schreibt. Und ob wir diese Leute kennen. Ob es sie wirklich gibt. Warum sie Bewertungen schreiben.

Vielleicht meint der Anbieter eines Produkts ja, dass es so gut ist, die Kunden jedoch so uneinsichtig, dass sie Unterstützung bei der Kaufentscheidung benötigen, beispielsweise in Form von positiven Bewertungen.

Wo fängt der Betrug an?

Es ist bekannt, da brauchen wir uns nichts vorzumachen, dass Bewertungen und Rezensionen gegen Bezahlung verfasst und online gestellt wurden. Wir haben keine Möglichkeit zu erkennen, welche authentisch sind und welche eine Auftragsarbeit. Wir wissen auch, dass große Konzerne nicht nur bar bezahlen, sondern auch Geschenke machen. Als kleine Gegenleistung.

Und auch wir unabhängige Autoren und Kleinverlage geben kostenlose Buchexemplare ab oder Lesezeichen oder Kaffeebecher mit dem Titel unseres letzten Buches. Oder wir bieten kostenlos Extra-Kapitel auf unserer Website an. Oder wir schlagen einem begeisterten Leser kumpelhaft vor, unser Buch zu rezensieren.

Gute Rezensionen, positive Bewertungen, das sind unsere wichtigsten Verkaufsargumente. Wie bekommen wir Rezensionen, ohne in den Verdacht zu geraten, wir hätten sie lediglich gekauft, nicht durch unsere gute Arbeit verdient?

Ich habe keine Antwort.

 

 

 

 

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