Die Zielgruppe bestimmen – 6 Fragen an ein Buch

 Böse Menschen, oft sind sie nur neugierig oder wohlmeinend, stellen Autoren gerne diese Frage:

„Wer soll dein Buch denn eigentlich lesen?“

Überlegungen über ideale Leser

Die Frage ist wichtig, das spüren auch Autoren, die keine Antwort darauf kennen. Natürlich möchten gerne alle, die ein Buch geschrieben haben und es veröffentlichen wollen, dass jeder einzelne Leser des Universums oder wenigstens der eigenen Sprache dieses Buch liest und es wunderbar findet.

In rationaleren Momenten weiß jedoch jeder, dass niemals alle Leser das Buch kaufen und außerdem lieben werden. Menschen sind verschieden, Vorlieben mindestens ebenso.  Es geht also darum herauszufinden, wer die Leute sind, die Interesse an diesem einen besonderen Buch haben werden. Die Aufmerksamkeit dieser Leute will man auf das Buch lenken.

Diese spezielle Personengruppe ist die Zielgruppe des Buches. Sie soll überzeugt werden, dass dieses Buch genau die richtige Lektüre für sie ist und sie soll feststellen, dass dem tatsächlich so ist. Das gesamte Marketing des Buches muss also auf die Zielgruppe zugeschnitten sein.

Wer aber sind diese Leute, die die Zielgruppe ausmachen?

Um das herauszufinden, ist ein wenig Forschungsarbeit nötig. Besonders gut  eignen sich Online-Buchhändler. In so einem Online-Shop kann man nach ähnlichen Büchern Ausschau halten. Dort sieht man das Genre, dort findet man Rezensionen und Hinweise darauf, was die Rezensentinnen für wichtig halten. Über Suchmaschinen findet man Blogs, in denen ähnliche Bücher besprochen werden. Da erhält man auch Einblicke in die übrigen Interessen der Leserinnen, wer sie sind, was sie beruflich machen.

Nach dieser Forschungsarbeit, die wirklich keine Schnüffelei ist, kann man dann ein Profil für die Zielgruppe erstellen.

Sechs Fragen sollen helfen, das Profil so aussagekräftig wie möglich zu machen:

1. In welchem Land und welcher Region lebt die ideale Leserin?

Für Sprachen, die in vielen verschiedenen Ländern gesprochen werden, erscheint diese Frage wichtiger als für eine Sprache wie Deutsch. Aber es macht durchaus Sinn zu fragen, ob etwas in dem Buch es für Einwohner Österreichs interessanter macht als für Deutsche. Außerdem zerfallen auch unsere kleinen deutschsprachigen Länder in sehr unterschiedliche Regionen. Eine Handlung in einem deutschen Dorf nahe der dänischen Grenze ist für Leser aus der italienischen Schweiz wahrscheinlich weniger reizvoll.

2. Lebt der ideale Leser in der Stadt oder auf dem Land?

Auch hier möchte man im ersten Moment abwinken, weil doch die Lebensverhältnisse verfassungsbedingt überall im Land gleich sein sollen. Das Stichwort ist sollen. In der Realität unterscheiden sich die Lebensverhältnisse je nach Wohnort sehr. Unterschiedliche Ort ziehen Menschen mit unterschiedlichen Wünschen und Interessen an. Ein Großstadtmensch kann sich vielleicht eher in eine städtische Handlung einfühlen als in eine Romanze auf dem Dorf.

3. Wie alt ist die ideale Leserin?

Dass Menschen in verschiedenen Lebensphasen andere Interessen haben, leuchtet ein. Teenager lesen andere Bücher als Leute jenseits der fünfzig. Aber auch andere Interessengebiete sind unterschiedlich: Musik, Fernsehen, Freizeitgestaltung, Kleidung, Essen … Wenn die Charaktere ihren Interessen nachgehen, sollten Leser nachvollziehen können, was und warum sie es tun.

4. Ist der Ideale ein Leser oder eine Leserin?

Frauen und Mädchen lesen mehr als Männer und Jungen, wobei in bestimmten Genres Männer dominieren. Wer unsicher ist, kann die Namen der Rezensenten ansehen.

5. Welchen Bildungshintergrund hat die ideale Leserin?

Da sollte jede Autorin einen kritischen Blick in ihren Text werfen und analysieren, was Wortschatz und Register, grammatische Strukturen und Handlungskomplexität beim Leser voraussetzen.

6. Zu welcher sozialen Schicht gehört der ideale Leser?

Soziale Schicht umfasst hier mehr als Einkommen und Bildung. Es geht um Interessen, die aus dem Beruf, den Arbeitsverhältnissen, den politischen Neigungen, den Hobbys, der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und Denken erwachsen.

Einen Modell-Leser konstruieren

Manche Autoren werden nach all den Fragen und den Ausführungen dazu mit den Schultern zucken. Sie schreiben vielleicht die Bücher, die sie gerne lesen würden, aber nicht in den Buchhandlungen finden. Doch auch diese Autoren wollen Bücher verkaufen. Für sie sollte die Überlegung nahe liegen, dass der ideale andere Leser ihnen sehr ähnlich sein dürfte. Damit müsste es gerade diesen Autoren leicht fallen, die sechs Fragen oben zu beantworten und sich einen Modell-Leser zu konstruieren.

Die Antworten auf die sechs Fragen ergeben noch keine lesende Person. Sie weisen auf eine Gruppe Personen hin, doch das bleiben graue Schatten. Es ist jedoch nicht leicht, Schatten für etwas zu begeistern, einfach weil gar nicht klar ist, wie das gehen soll. Schatten haben weder Augen noch Ohren.

Ein kleiner Trick hilft über dieses Problem hinweg. So schwierig es ist, eine Gruppe Unbekannter anzusprechen, mit einer einzelnen Person über ein Buch zu reden fällt sehr viel leichter. Aus den Antworten zu den sechs Fragen können Autoren sich eine Person bauen, ihren idealen Leser oder ihre ideale Leserin, je nachdem, was besser passt. Diese ideale Person kann sehr akkurat beschrieben werden, bis hin zu ihrem Aussehen und ihrer Gedankenwelt.

Die ideale Person verkörpert die Zielgruppe. Bei allen Marketingaktionen sollte diese Verkörperung der Zielgruppe immer im Mittelpunkt stehen. Was sie interessiert, interessiert die gesamte Zielgruppe. Was sie langweilt, langweilt die anderen ebenfalls. Was sie begeistert, wird sie gerne mit ihrem Freundeskreis teilen.

 

 

 

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