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Gänsehautmomente der anderen Art – Miniserie: Meine alten Manuskripte

Wie die meisten Autoren haben bestimmt auch Sie in Schubladen, auf Festplatten oder sogar auf staubigen Disketten frühe Werke, teilweise unvollendet, einige vollendet. Vielleicht wissen Sie selbst nicht genau, was dazu führte, dass ein Manuskript in Vergessenheit geriet. Oft war es das unbestimmte Gefühl, dass etwas an der Geschichte nicht richtig war. Wenn Sie sich hinsetzen und das Manuskript anlesen, schleicht sich ein Gänsehautgefühl ein – allerdings ein ganz und gar nicht angenehmes Kribbeln.

Die Ursache für dieses Gänsehautgefühl der anderen Art ist schnell gefunden. Was immer die Stärken des Manuskripts sind, es zeigt, dass Ihnen damals die Erfahrung fehlte. Neben sprachlichen Mängeln weist so ein altes Manuskript zahlreiche strukturelle Probleme auf. Es waren vermutlich diese, die Sie das Projekt aufgeben ließen.

Wenn Sie Ihr altes Manuskript wieder zum Leben erwecken wollen, steht Ihnen viel Arbeit bevor. In diesem und im folgenden Post geht es um dieses Wiedererwecken. Der heutige Post zeigt Ihnen einige der wichtigsten Probleme auf, die Sie in dem Manuskript finden können. Im folgenden Post geht es um die notwendigen Schritte bei der Überarbeitung.

Zunächst also zu den Problemen.

Handlung und Charaktere

Wenn Sie das Manuskript aus dem diffusen Gefühl, dass etwas irgendwie nicht stimmt, aufgegeben haben, können Fehler in der Handlung, beim Verbinden der Handlungs- und Zeitebenen und Unstimmigkeiten bei den Charakteren vorliegen. Aus dem Abstand von mehreren Jahren erkennen Sie diese Probleme vermutlich leichter als zum Zeitpunkt der ersten Version.

Klischees

Bestimmte Konstellationen von Charakteren finden sich immer wieder in Büchern und Filmen. Die Charaktere erscheinen wie Abziehbilder der Charaktere anderer Handlungen, ihr Verhalten ist stereotyp, sogar ihr Erscheinungsbild erkennt der Leser aus zahlreichen anderen Büchern wieder.

Sprache voller Phrasen

Der Sprache fehlt es an Originalität. In jedem Satz finden sich Formulierungen, wie sie in Zeitungen, Illustrierten vorkommen oder Anglizismen ohne Kontext. Oder die Sätze erinnern an eine akademische Abhandlung mit komplex verschachtelten Sätzen und Fremdwörtern.

Adjektive verlangsamen die Handlung

Adjektive kennzeichnen Eigenschaften, daher liegt es nahe, sie zu verwenden, um Personen oder Gegenstände zu beschreiben. Allerdings lassen zu viele Adjektive einen Text starr erscheinen. Ein lebensnahes Bild benötigt Bewegung, also Verben.

Zu viele Informationen

Der abgedroschene Anglizismus Info-Dump beschreibt es bildhaft: Ein wahrer Müllberg an Informationen häuft sich vor dem Leser auf. Bis die eigentliche Handlung beginnt, muss er sich durch mehrere Seiten arbeiten.

Dieser Stil war im neunzehnten Jahrhundert beliebt, viele klassische Vorbilder von jungen Autoren verwenden ihn. Die Aufmerksamkeitsspanne heutiger Leser ist jedoch kürzer, daher sollte die Handlung möglichst früh beginnen.

Erzählpassagen lähmen die Handlung

Hinter dem englischen Show, don’t tell – Erzähl es, statt es zu beschreiben – verbirgt sich eine wichtige Erkenntnis: Es ist für Leser viel interessanter, eigene Schlüsse aus einer Szene zu ziehen, als die Lehren vorgelegt zu bekommen. Dazu müssen Autoren entscheiden, wie wichtig eine Information ist, und sich eine Szene überlegen, in der der Leser die Information finden können. Da aus Platzgründen nicht alle Informationen auf diese Weise präsentiert werden können, ist es auch notwendig zu entscheiden, welche Informationen ein Leser wirklich benötigt.

Zufälle

Im Leben spielen uns Zufälle in die Hände, aber nicht immer genau dann, wenn wir sie benötigen. Deshalb wirkt es unglaubwürdig, wenn ein Charakter die entscheidende Information ohne eigenes Zutun bekommt.

Träume, Szenen vor dem Spiegel, Aufwachen am Morgen …

Viele Bücher beginnen mit einem Charakter, der am Morgen aufwacht. Manchmal weiß er dann nicht, wer er ist. Oder er schreckt aus einem Traum auf, der ein Ereignis der Handlung vorwegnimmt. Oder er starrt in den Spiegel und beschreibt sich für den Leser.

Es gibt viele Szenen, die zu oft herangezogen wurden, um ein Buch beginnen zu lassen oder einen Charakter einzuführen. Wenn man sie unbedingt verwenden möchte, sollte sie direkt in die Handlung führen.

Fazit – Wenn Sie ein altes Manuskript wiederbeleben wollen …

Wenn Sie überzeugt sind, dass die Geschichte in dem Manuskript neues Leben verdient, sollten Sie ihr dieses neue Leben ermöglichen. Machen Sie sich jedoch auf viel Arbeit gefasst. Der erste Schritt ist eine Analyse des Manuskripts. Auch wenn Sie das Buch ohne Rückgriff auf die alte Vorlage neu schreiben wollen, sollten Sie sich einen Überblick darüber verschaffen, was das Manuskript hat scheitern lassen.

Wie Sie bei der Analyse vorgehen können, lesen Sie im nächsten Post.

 

 

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