Mach meine Gefühle kompliziert

Gefühle

Gefühle tragen uns nicht nur durch das richtige Leben. Sie faszinieren uns so sehr, dass sie uns dazu anhalten, einen neunzigminütigen Film anzusehen oder ein Buch mit siebenhundert Seiten zu lesen. Wenn wir den Film sehen oder das Buch lesen, interagieren unsere Gefühle mit den Gefühlen der Charaktere. Wir werden Zeuge ihrer Gefühle, und diese Zeugenschaft weckt in uns Gefühle.

Gefühle in unerwarteten Kombinationen

Als Autoren können wir viel dafür tun, dass sich unsere Leser in den Charakteren unserer Bücher wiederfinden. Dazu geben wir Informationen zu den Fragen Wer, Wann, Wo und Was und streuen Informationen über Wie darüber. Das klingt nach einem Kochrezept, doch letztlich funktionieren alle Kreationen, ob in der Küche oder in der Kunst so: Man nehme eine Basis und gebe das Spezielle darüber.

Weil die Basis immer mehr oder weniger gleich ist, kommt es darauf an, wie wir sie präsentieren. Jeder Autor entwickelt dafür einen eigenen Stil. Wichtig ist nur, dass das Zusammenspiel zwischen der Basis und dem Speziellen im Leser die Gefühle weckt, die wir wecken wollen.

Mit der Basis wiegen wir den Leser in Sicherheit. Wir signalisieren Das kennst du und hoffen, dass der Leser sich darauf einlässt. Wenn wir das Bekannte präsentieren, verwenden wir oft Klischees: die Unschuld vom Lande, die 1960er Jahre, die Kleinstadt, die erste Liebe. Leser verbinden mit diesen Informationen bestimmte Situationen und Gefühle. Sie verzeihen uns, dass wir sie zum tausendsten Mal bemühen, wenn wir das stille Versprechen einlösen, den Leser mit dem Speziellen zu überraschen. Das erreichen wir, indem wir etwas präsentieren, was die Informationen oder die durch sie hervorgerufenen Gefühle oder beide in eine unerwartete Richtung verändert.

Wann ist etwas unerwartet?

Es mag nach einer Herausforderung klingen, Leser mit etwas Unerwartetem zu konfrontieren. Unerwartet kann von außen kommen. Das silbern glitzernde Raumschiff auf dem Marktplatz einer Kleinstadt in den 1960er Jahren kommt eindeutig von außen und überrascht die Bewohner der fiktiven Kleinstadt ebenso wie den Leser. Der Leser ist in diesem Fall im Vorteil gegenüber den Bewohnern der Stadt, da er weiß, dass ein Raumschiff auf dem Marktplatz bestimmte Handlungsmuster auslöst.

Unerwartetes kann jedoch auch aus der mit wer, wann, wo und was umrissenen Situation entstehen. Protagonist und Antagonist sind sich bisher auf öffentlichen Plätzen begegnet, dieses Mal stehen sie sich an einem einsamen Ort gegenüber. Die Unschuld vom Lande ist unerfahren mit Männern, doch intelligent und selbstbewusst. Beim Zurückweichen vor dem Gegner spürt der Protagonist einen Druck im Rücken, der vom Lenker seines Fahrrads stammt.

Das Unerwartete darf gewöhnlich sein wie der Fahrradlenker oder ungewöhnlich wie das Raumschiff auf dem Marktplatz. Damit der Leser die Gefühle empfindet, die wir auslösen wollen, sollte das Unerwartete bekannten Regeln folgen. Dabei darf der Leser die Regeln auch erst im Laufe der Handlung kennenlernen, doch wenn sie eingeführt sind, müssen sie gelten.

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