Ein Beitrag im Blog der britischen Autorin Vivienne Tuffnell über die Aufgaben von Literatur hat mich nachdenklich gemacht. Sie schreibt, dass sie sich angesichts der Lage in der Welt immer öfter aus dem Internet zurückzieht. In der Hoffnung, dass sich die Situation irgendwie bessert, lässt sie einige Zeit verstreichen, ehe sie nachsieht, was sich in ihrer Abwesenheit getan hat. Positive Impulse zieht sie aus Büchern. Auch da meidet sie Bücher, die Grauen, Gewalt und Verzweiflung zeigen. Sie liest Bücher, die ihr Hoffnung geben. Darin sieht sie eine Aufgabe von Literatur.
Das Zelebrieren des Negativen
Wer die Nachrichten verfolgt, kommt nicht um die Erkenntnis herum, dass wir in schwierigen Zeit leben und uns schwierigere bevorstehen. Neben Entschuldigungen für Unentschuldbares und einem Wettbewerb um die abwertendste Aussage des Tages, findet man wenig und das nicht an prominenter Stelle, das Hoffnung geben kann. Das alles sind Texte, die sich als Spiegel der Realität verstehen.
Kaum besser sieht es bei Texten, die fiktive Welten betrachten, aus. Wirft man einen Blick auf die Buchbeschreibungen in diversen Facebook-Gruppen, stößt man auf Idealisierung von Gewalt und Verherrlichung von Unterdrückung. Zwar steht diesen Genres eine buntere Reihe von Romanen gegenüber. Doch oft reicht deren Kraft nur aus, uns zum Lachen zu bringen, nicht aber, um verlorene Hoffnung wiederzufinden.
Hoffnung geben heißt Wege aufzeigen
Literatur, die Hoffnung geben kann, muss nicht leicht sein. Sie greift die dunklen Fragen des Lebens auf und fordert von ihren Protagonisten und damit auch von ihren Lesern, die Bereitschaft, viel zu ertragen, aber nie aufzugeben. Literatur, die Hoffnung geben kann, schildert Abstürze in tiefes Unglück und Verlassenheit. Doch sie weist immer wieder auf die Lichter im Dunkel hin, auf Menschen, die zuhören, die eine Geste der Freundschaft zeigen, die ein kleines Stück weiterhelfen können. Sie zeigt uns auch, dass Charaktere gebrochen, aber nicht besiegt sein können.
Die Gefahr, denen solche Bücher ausgesetzt sind, liegen auf der Hand. Sicherlich ist es belastend, die Untiefen der Verlassenheit auszuloten und für Leser nachvollziehbar zu machen. Während des Schreibens könnte sich ein Autor überfordert fühlen und den Weg zur Heilung abkürzen wollen. Auch besteht die Gefahr, dass die Handlung ins Kitschige abgleitet. Für die Rezensenten, die Dunkel und Licht abwägen, erscheinen Beschreibungen von Güte und Verantwortung möglicherweise als niedliche Elemente, die dem Buch den Anspruch auf Ernsthaftigkeit oder auf Spannung nehmen.
Und dann sind da die unerforschlichen Leser, die vielleicht in einer seichten Liebesgeschichte genau das Maß an Licht und Hoffnung finden, das sie zum Überleben benötigen.