Die Perspektive des Lesers ändern

Perspektive des Lesers

Autor*innen verfügen über große manipulative Macht, mit der sie die Perspektive des Lesers oder der Leserin verändern können. Mit der Wahl von Worten und Satzstrukturen wecken oder zerstören sie Sympathien, lassen Abscheu entstehen oder mindern sie. Solcher Macht und solcher Manipulation würden die meisten Autorinnen im richtigen Leben ausweichen wollen, in ihren Romanen wenden sie sie gnadenlos an.

Die Perspektive des Lesers – Warum beeinflussen?

Durch die Wahl von Wörtern und Strukturen färben Autor*innen das Erscheinungsbild und die Handlungen ihrer Charaktere. Diese Färbung hat Einfluss auf Leser*innen, ob diese das wollen oder nicht. Die Frage ist, warum es nötig oder wünschenswert sein kann, die Haltung der Leser*innen gegenüber bestimmten Charakteren zu lenken.

  • Moral: Vielleicht möchten Sie eindeutig festlegen, wer gut, böse oder verwerflich ist.
  • Emotionen: Vielleicht wollen Sie in Ihren Leser*innen starke Gefühle für oder gegen bestimmte Charaktere wecken.
  • (Ent-)Täuschung: Vielleicht möchten Sie eine starke Haltung für oder gegen einen Charakter wecken, um sie im Verlauf der Handlung wieder zu verändern.

Selbstverständlich zwingt Sie niemand, Ihre Leser*innen durch die Wortwahl zu beeinflussen. Wenn Ihnen daran liegt, dass Ihre Leser*innen frei zu einer Meinung über einen Charakter kommen, schreiben Sie in möglichst neutraler Sprache. Machen Sie sich dennoch bewusst, dass Sie immer Einfluss auf die Perspektive des Lesers und der Leserin nehmen, gleichgültig, wie oder was Sie schreiben.

Die Perspektive des Lesers – Wie beeinflussen?

Bilder sollen aussagekräftiger sein als Worte. Wenn dem so ist, benötigen Autor*innen Wörter, die in den Leser*innen Bilder entstehen lassen. Entgegen der landläufigen Meinung sind dies nicht Adjektive, sondern Verben. Verben implizieren Aktion und Bewegung, Adjektive sind statisch, geben nur eine Momentaufnahme. Vergleichen Sie die Sätze:

  • Er ging aus dem Zimmer.
  • Er humpelte aus dem Zimmer.
  • Er rannte aus dem Zimmer.
  • Er schlich aus dem Zimmer.

Der erste Satz enthält die Grundaussage, im Sinne von Er verließ das Zimmer. Die anderen Sätze enthalten einen Hinweis darauf, wie er das Zimmer verlässt: humpelnd (aufgrund einer Verletzung), rennend (wegen hoher Dringlichkeit oder starker Emotionen), schleichend (leise mit dem Ziel der Unauffälligkeit).

Der Thesaurus, das Wörterbuch, in dem Sie Alternativen für ein gewähltes Wort finden, ist eine gute Quelle und zugleich ein gefährliches Werkzeug. Wählen Sie Wörter, die Ihre Leser*innen wahrscheinlich kennen. Informieren Sie sich, wie gebräuchlich die vorgeschlagenen Wörter sind, und vergewissern Sie sich, ob sie in den Kontext der Szene passen.

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