Das Manuskript ist von den Testlesern oder der Lektorin zurückgekommen und es ist rot getränkt!
Schock? Natürlich, wer sieht seine Arbeit gerne mit der Farbe der Korrektur und Zensur überzogen?
Aber eigentlich ist jede rote Markierung ein kleines Kompliment, auch wenn das niemand so empfindet.
Roter Strich als Kompliment?
Wenn wir früher Klassenarbeiten zurückbekommen haben, freuten wir uns über weiße Seitenränder. Das bedeutete Fehlerfreiheit und zwangsläufig eine gute Note.
Mit dieser Einstellung unterlagen wir als Schüler einem Irrtum, den allerdings viele Lehrer teilten und teilen.
Als Autoren sehen wir das anders. Hat unser Testleser oder die Lektorin eine Markierung vorgenommen, hat sie sich Gedanken über den Text gemacht. Der rote Strich ist zunächst ein Zeichen der Anerkennung.
Natürlich wünschen wir uns Lob für unsere Arbeit. Hat der Testleser seine Arbeit gut gemacht, finden wir entsprechende Hinweise an Stellen, die gefallen.
Und, wie früher schon manche Lehrer behaupteten und wir Schüler nie glaubten, aus Fehlern kann man lernen. Dafür müssen sie markiert werden. In Rot. Oh je.
Über den richtigen Umgang mit dem roten Strich
Die erste Reaktion auf so viel Rot ist Schock und Ablehnung.
Um konstruktiv mit den roten Strichen und Kommentaren umgehen zu können, benötigen wir Distanz. Also muss man sich zwingen, einmal alles anzusehen. Dann legt man das besudelte Manuskript in eine Schublade und arbeitet an anderen Themen. Eine Woche oder länger sollte das Manuskript ruhen. In der Zeit beruhigen wir uns und beginnen, über die Markierungen nachzudenken.
Wenn wir dann das Gefühl haben, wir können uns dem Rot stellen, darf das Manuskript wieder auf den Schreibtisch.
Jetzt wird gearbeitet.
Das Einpflegen von Korrekturen
Stellen Sie sicher, dass es eine zweite Kopie des korrigierten Manuskripts gibt. Dies ist besonders wichtig, wenn die Anmerkungen in der Datei vorgenommen wurden und nicht auf einem Ausdruck. Speichern Sie Änderungen regelmäßig während des Arbeitens, nicht nur am Ende eines Arbeitsganges. Kopieren Sie die geänderte Datei regelmäßig auf einen anderen Datenträger.
Es können grob zwei Arten von Markierungen unterschieden werden:
- Rechtschreib- und Grammatikfehler, fehlende oder doppelte Wörter
- Anmerkungen zur Textstruktur und zur Sprache
Man kann sich darüber streiten, in welcher Reihenfolge diese Markierungen und Fehler bearbeitet werden sollten. Teilweise wird empfohlen, die Rechtschreib- und Grammtikfehler zuerst oder zuletzt zu bearbeiten. Das kann jeder einmal für sich ausprobieren.
Ich selbst fange einfach bei der ersten Markierung an und arbeite mich durch das Manuskript. Reine Schreibfehler, Wortergänzugen oder Streichungen sind schnell verbessert. Grammatikfehler verlangen oft einen Umbau des Satzes, der nicht selten Veränderungen im gesamten Absatz zur Folge hat. Das ist meine Begründung, weshalb ich die beiden Kategorien in einem Arbeitsgang erfasse. Andere Autoren bevorzugen die Trennung. Wichtig ist, dass man weiß, es existieren verschiedene Herangehensweisen.
Rechtschreib- und Grammatikfehler, fehlende oder doppelte Wörter
Rechtschreibfehler sind in den meisten Fällen der Flüchtigkeit geschuldet oder Tippfehler. Rechtschreibprogramme übersehen sie oft, wenn durch den Fehler existierende Wörter entstanden sind. Handelt es sich um einen systematischen Fehler, einen, den man immer wieder gemacht hat, sollte man sich eine Fehlerliste anlegen. Darauf hält man „Lieblingsfehler“ fest, vielleicht sogar mit der Regel, damit man die eines Tages verinnerlicht.
Fehlende Wörter ergänzt man, doppelte Wörter werden gelöscht. Diesen Fehlern begegnet man am effektivsten durch lautes Vorlesen, was zugegebenermaßen bei 500 Seiten Text anstrengend ist.
Grammatikfehler entstehen manchmal beim Korrigieren, etwa wenn man Wortgruppen verschiebt. Ansonsten schleichen sie sich gerne bei Adjektivendungen und Verformen ein. Adjektivendungen sind schnell verbessert, bei Fehlern mit Verben, besonders Tempusfehler, also Fehler der grammatischen Zeit, muss oft der Satz verändert werden. Dabei sollte man immer ein Auge auf die umliegenden Sätze haben. Das Ergänzen oder Streichen eines Hilfsverbs beeinflusst immer den Rhythmus des Satzes. Deshalb sind oft Umstellungen innerhalb des Satzes notwendig, wieder mit Einfluss auf die umliegenden Sätze.
Textstruktur
Ich fasse hierunter auch die Perspektive, weil diese oft Auswirkungen auf die Abfolge von Sinneinheiten hat. Manche Handlungsstränge vertragen oder verlangen gar eine andere Perspektive als die Hauptstränge. Dies ist oft eine Frage des persönlichen Geschmacks. Hat der Testleser für einige Stellen einen Perspektivwechsel vorgeschlagen, sollte man überlegen, welche Vorteile daraus entstehen.
Ein Perspektivwechsel verlangt immer umfassende Änderungen. Ich empfehle, den neuen Text in einem anderen Dokument oder zunächst auf Papier zu verfassen.
Immer wenn Sie große Textstellen streichen, verschieben Sie sie in ein anderes Dokument, wo sie solche Stellen zwischenlagern. Vielleicht benötigen Sie diese Stellen doch noch.
Anmerkungen zur Abfolge von Sinnabschnitten und dem logischen Anschluss von Abschnitten lassen sich dagegen oft durch das Ergänzen von Zeitadverben oder kurzen Sätzen umsetzen.
Sprache
Kritik an der Sprache ist oft subjektiv. Wichtig sind jedoch vor allem die Bedürfnisse der Leser. Deshalb sollte auch die offensichtlich subjektive Kritik an der Sprache untersucht werden.
Überlegen Sie, welche Eigenschaften der Sprache den Lesegenuss beeinträchtigen könnten.
Verwenden Sie zu viele Fremdwörter, Fachausdrücke, Wörter aus anderen Sprachen. Fragen Sie sich, weshalb Sie das tun. Wenn Sie meinen, Sie brauchen diese Wörter, suchen Sie Wege, sie im Text zu erläutern. Das ist bei häufig auftretenden Wörtern nicht jedes Mal notwendig, sollte aber immer wieder geschehen.
Verschachteln Sie Sätze nicht unnötig. Zu leicht verlieren Sie selbst den Überblick und produzieren Fehler bei Verbendungen. Mehrere kürzere Sätze klingen oft besser als ein langer verschachtelter Satz.
Welche Strategien wenden Sie an, wenn Sie Korrekturen in Ihre Texte einpflegen?
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Super-Praxistipps, die man wirklich beherzigen sollte, wenn man sich die Arbeit nicht unnötig schwer machen möchte.
Vielen Dank, Michael.