Eine häufige Frage an Schreibende ist „Woher kommen deine Ideen?“ So schwierig es ist, diese Frage zu beantworten, meistens haben wir eine Vorstellung, woher wir unsere Ideen beziehen und woher sie von sich aus kommen. Viel schwieriger zu beantworten ist die Frage, wie wir die Worte für Ideen finden.
Woher kommen all die Worte für Ideen?
Hinter dieser Frage steht eine andere: Woher kennst du all diese Wörter. Dieser Frage müssen wir uns auch noch widmen. Aber gehen wir erst einmal davon aus, dass die Wörter irgendwie oder irgendwo schon in uns sind. Wie bringen wir Wörter und Ideen zusammen?
Eine Antwort konnte mir niemand geben, ich selbst habe auch keine. Ich weiß nur, und andere Autor*innen bestätigen es, dass die Wörter beim Schreiben kommen. Sie scheinen in die Finger zu fließen und auf Papier oder Monitor übertragen zu werden. Die meisten dieser Wörter, die normalen Wörter, melden sich nicht großartig an. All die Personalpronomen, Artikel, Präpositionen und ihre Geschwister entdecke ich erst, wenn ich lese, was ich geschrieben habe.
Das ist das Ergebnis eines jahrzehntelangen Trainings. Ich arbeite auch mit Menschen, die um jeden Buchstaben ringen, wenn sie schreiben. Sie müssen sich genau überlegen, was sie schreiben wollen, dann suchen sie die Buchstaben. Das sind erwachsene Menschen, stehen mit beiden Beinen im Leben, waren oder sind berufstätig, organisieren große Familien. Aber ihnen fehlt die Routine im Umgang mit Schrift.
Die Leichtigkeit, mit der wir Autor*innen eine Seite mit Wörtern füllen, besteht also in unserem Bildungsvorteil. Und in einer besonderen Affinität zu Sprache, denn in einem Land wie Deutschland, sollte eigentlich jeder Mensch von der Schulbildung her in der Lage sein, eine WhatsApp-Nachricht fehlerfrei zu tippen. Sollte, wohlgemerkt.
Woher kennst du all diese Wörter?
Aber woher kennen wir die Wörter, die wir schreiben? Warum zögern wir nicht bei den normalen Wörtern, warum pausieren wir mehr oder weniger kurz, um besondere Worte für Ideen auszuwählen?
Für Autor*innen sind Wörter eine Schwäche. Wie viele Schwächen bemerken wir das oft gar nicht. Aber wir saugen Wörter auf, wenn wir lesen oder anderen Menschen zuhören. Wir lesen genau und hören unangenehm genau zu. Wir sammeln Wörter, Phrasen, manchmal ganze Sätze. Die meisten Autor*innen tragen in sich ein privates Wörterbuch, dass sie nur verwenden, wenn sie schreiben. Einige Autor*innen legen ein Wörterbuch in der realen Welt an, in einer Kladde oder in einer Notiz-App, um besondere Wörter festzuhalten. Man weiß nie, wozu sie einmal nützlich sind …
Viele Autor*innen gewöhnen sich im Laufe ihres Schreiblebens an, über ihre alltäglichen Interessen hinaus zu lesen. Sie lesen Klassiker der Literatur, Märchen, Fabeln, Übersetzungen aus anderen Kulturkreisen, durchsuchen die Regale von Antiquariaten oder Remittenten-Händlern, um vergessene Bücher zu entdecken und sich deren Sprache anzueignen. So häufen wir einen Schatz an, dessen Existenz man uns nicht ansieht. Unauffällig gehen wir durch die Welt, dabei tragen wir in uns Wörter, an die wir selbst nicht mehr denken. Bis sie eines Tages durch unsere Finger in einen Text gelangen.